Auf unserer Themenseite finden Sie stets die aktuellsten Oxfam-Berichte zum Thema „Soziale Ungleichheit.

Am 20. Januar 2020 wurde Oxfams jährlicher Bericht zu Ungleichheit veröffentlicht. Dieses Jahr liegt der Schwerpunkt auf Ungleichheit zwischen Frauen und Männern und auf unbezahlter Hausarbeit, Pflege und Fürsorge als maßgebliches Hindernis für eine wirtschaftliche und politische Gleichstellung von Frauen.

In zahlreichen Medien wurde dieser Fokus sehr positiv aufgegriffen und die Bedeutung von unbezahlter Hausarbeit, Pflege und Fürsorge als oft übergangener Wirtschaftssektor unterstrichen, beispielsweise von Kathrin Werner in der Süddeutschen Zeitung, von Marcel Fratzscher auf Zeit Online, von Natalia Smolentceva  im Focus , von Carla Neuhaus und Rolf Obertreis im Tagesspiegel  und auch in der Sendung RTL aktuell vom 20.01.2020.

Selbst manche Kritiker früherer Oxfam-Berichte und unserer Ungleichheitszahlen, wie Maximilian Stockhausen vom Institut der Wirtschaft (IW) und Andreas Peichl vom ifo Institut, stimmen zu, dass die wirtschaftliche Benachteiligung von Frauen ein Problem ist, welches von Politik und Wirtschaft angegangen werden muss.  

Manche Frage und Kritik aus diesem Jahr nimmt Themen auf, die wir in den vergangen Jahren bereits hier und hier ausführlich beantwortet haben. Die 5 häufigsten Fragen aus den vergangenen Jahren, wie etwa Unterschiede zwischen Einkommens- und Vermögensungleichheit, haben wir zudem hier zusammengefasst. Auf drei weitere Missverständnisse und Kritikpunkte aus diesem Jahr gehen wir in diesem Blog ein.

Wurden die Reichen reicher?

Dietrich Creutzburg kritisiert in der FAZ, dass unsere eigenen Berichte keine Zunahme, sondern eher eine Abnahme der Ungleichheit und der Konzentration der Vermögen nahelegen. Laut Oxfams eigenen Berichten, so Creutzburg, würden 2019 die 162 reichsten Milliardäre auf der Welt zusammen über so viel Vermögen verfügen wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung, 2017 hätte das Vermögen von nur 8 Milliardären ausgereicht. 

Allerdings sind die beiden Zahlen aus den verschiedenen Jahren nicht direkt miteinander vergleichbar. Die Datenquelle, das Global Wealth Data Book der Schweizer Großbank Credit Suisse, wird jährlich aktualisiert. In der Folge werden Annahmen auch für zurückliegende Jahre korrigiert. Neuesten Daten von Credit Suisse zufolge hat das gemeinsame Vermögen der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung zugenommen. Demnach wären es 2018 155 Milliardäre gewesen, die gemeinsam so viel besaßen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung und für Anfang 2019 (Ende des Betrachtungszeitraums der Forbes- Reichenliste ist Februar 2019) würde die Zahl 162 lauten. Daraus, dass die Zahl der Milliardär*innen von Anfang 2019 höher ist, als die aus dem Vorjahr, lässt sich jedoch aus unserer Sicht keine Trendwende ableiten. Es handelt sich eher um eine Delle in Folge der Kurseinbrüche an den Börsen im ersten Halbjahr 2019. Diese dürfte nach der Börsenrally in der zweiten Jahreshälfte wieder ausgebügelt sein. Dafür spricht, dass laut des Finanzdiensts Bloomberg das Vermögen der reichsten 500 Menschen im Jahr 2019 um rund 25 Prozent angewachsen ist.

Und wie Christine Haas uns in der Welt richtig zitiert: An dem fundamentalen Missverhältnis ändert das nichts. Auf dieses Missverhältnis und dessen Folgen geht Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), in seiner Kolumne auf Zeit Online ein.

Nochmals kurz zum Trend: Im Mittel wuchsen die Vermögen der Milliardäre in den letzten zehn Jahren um 7,4 Prozent pro Jahr, so unsere Berechnungen.  Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch das World Inequality Lab um Thomas Piketty im neusten UN-Entwicklungsbericht. Im Mittel wuchsen alle von ihnen erfassten Vermögen zwischen 1987–2017 um 2,8 Prozent pro Jahr, für die Reichsten 0,01 Prozent lag das jährliche Wachstum doppelt so hoch, bei 5,7 Prozent. Es sind in also auch Vermögen in der unteren Hälfte der Weltbevölkerung gestiegen, wie der in FAZ und Welt zitierte Maximilian Stockhausen anmerkt, und dadurch ist die Vermögensungleichheit zwischen Ländern gesunken. Die Konzentration an der Spitze hat sich jedoch dessen ungeachtet fortgesetzt.

Die von Rainer Hank im DLF ins Spiel gebrachten „seriösen Studien“ der Weltbank und des Ungleichheitsforschers Branko Milanović, wonach die Sache anders aussehe, beziehen sich auf Einkommensungleichheit und nicht auf Vermögen – und beschreiben daher einen anderen Zusammenhang als jenen, der hier besprochen wird. Zum Unterschied von Vermögen und Einkommen und warum beide wichtig sind, haben wir uns hier bereits geäußert.

Gibt es nicht weniger Arme als früher? Oder ist die Welt in Ordnung wie sie ist?

Von den Reichen zu den Armen. Rainer Hank wird im Deutschlandfunk mit den Worten zitiert, dass die Abnahme extremer Armut in den vergangenen 25 Jahren von 36 auf zehn Prozent „eine irrsinnige humane Leistung“ sei.

Das sehen wir ganz ähnlich. Die Abnahme der extremen Armut begrüßt Oxfam, ebenso die Fortschritte beim Zugang zu Bildung und zu Gesundheitsversorgung. Doch wir sagen auch, noch immer leben ca. 730 Millionen Menschen von weniger als 1,90 USD am Tag, und die Geschwindigkeit, in der extreme Armut reduziert wurde, hat – nach Angaben der Weltbank – in den letzten Jahren abgenommen. Selbst die Weltbank sagt daher mittlerweile, dass wir das Ziel, extreme Armut innerhalb der nächsten 10 Jahre bis zum Jahr 2030 abzuschaffen, nicht erreichen können, wenn wir die Wohlstandsgewinne nicht gerechter verteilen.

Hier finden Sie Projektionen zur Entwicklung extremer Armut bis 2030. 

Zudem leben zahlreiche Menschen nur knapp über der extremen Armutsgrenze, nur eine Missernte oder eine Krankenhausrechnung von der Armut entfernt. Und fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt, laut Weltbank, von weniger als 5,50 USD am Tag.

Wir sind daher trotz aller Verbesserungen nicht an einem Punkt, an dem wir uns auf die Schulter klopfen und uns ausruhen können. Hinzu kommt, dass manche Wohlstandsgewinne der Vergangenheit auch auf Kosten von Menschen und Umwelt gingen. Wir haben viel verloren an Biodiversität, an intakter Natur, an guten Anbauflächen, an sauberen Gewässern und Meeren. Daher haben wir – trotz aller Erfolge – noch vieles zu tun, um das Ziel einer gerechten Welt ohne Armut zu erreichen, und wenig Anlass für ein fröhliches „Weiter So!“.

Eine*r arbeitet, eine*r ist zu Hause, das Einkommen teilen wir – wo ist das Problem?

Zuletzt zu einer neuen Frage, die Arm und Reich miteinander verbindet. Was, wenn ein reicher – oder mindestens gut verdienender – Mann und seine Frau, die über kein eigenes Einkommen verfügt, ihr Geld zusammenlegen, ist dann das Problem gelöst?

Andreas Peichl, der am Münchner ifo Institut zu Ungleichheit forscht, wird in der FAZ mit den Worten zitiert, er warne davor, die Daten zu Ungleichheit zwischen Männern und Frauen und zu der von uns kritisierten Rentenlücke zu überinterpretieren, denn: „Bei den meisten Ehepartnern übernimmt der Mann dafür einen Großteil der Rechnungen.“

Es ist richtig und wichtig, dass innerhalb von Haushalten Ressourcen wie Einkommen und Vermögen geteilt werden. Weltweit haben laut der Internationalen Arbeitsorganisation über 70 Prozent aller Menschen keine hinreichende (öffentliche) soziale Absicherung und sind damit auf die Unterstützung innerhalb ihrer Familien oder Gemeinschaft angewiesen. Es ist fest davon auszugehen, dass die meisten Menschen sie dort auch erfahren.

Andererseits wissen wir wenig darüber, ob dies tatsächlich zu einer gleiche(re)n Verteilung von Einkommen und Vermögen zwischen Frauen und Männern führt. Mutmaßlich ist dies nicht nur von Region zu Region, sondern auch innerhalb von Familien unterschiedlich. Ob bei manchen geteiltes Haushaltseinkommen tatsächlich zu einer harmonischen, gleicheren Verteilung führt – wie Andreas Peichl anführt – oder ob Einkommen und Vermögen zwar geteilt werden, aber nicht zu gleichen Teilen, wird nur selten erfasst.

Egal ob erfasst oder nicht: Wenn Frauen (oder Männer) kein eigenes Einkommen haben, sind sie stärker von ihrem*ihrer Partner*in abhängig. Oder wie Adelheid Biesecker in einem Deutschlandfunk-Interview in Reaktion auf unsere Studie ausführt: „Eigenes Geld macht selbständig. … Das kann nicht sein, dass die eine Person der anderen Person ein Taschengeld gibt.“

Wichtig ist ökonomische Unabhängigkeit insbesondere von Frauen nicht zuletzt deshalb, weil sie deren „Risiko, von Gewalt betroffen zu sein, tendenziell verringert, indem sie die Möglichkeiten der Frauen erhöht, gewalttätige Beziehungen zu verlassen“. Dies stellt der Zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2017 fest.

Statt also so zu tun, als sei es kein Problem, wenn nur ein Partner ein Einkommen hat, ist es an der Zeit, dafür zu sorgen, dass Wirtschaft und Gesellschaft allen Menschen die Möglichkeit bieten, eigene auskömmliche Einkommen zu verdienen und dies mit Fürsorgearbeit zu kombinieren, ohne dass ihnen daraus jetzt oder in der Zukunft Nachteile entstehen. Davon profitieren nicht nur Frauen, sondern auch Männer, die oftmals ebenfalls gern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen würden. Es geht also nicht nur um die gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen, sondern auch von Pflege- und Fürsorgeaufgaben, sowie um deren gesellschaftliche und ökonomische Anerkennung. Dafür setzt Oxfam sich ein.

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Interaktive Reise

Eine Frau jongliert Haushalt, Fürsorge und Job

4 Kommentare

Vor allem Frauen, die in ihrer Kindheit sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren, sind in Deutschland überproportional von Armut und damit lebenslanger Ausgrenzung betroffen. Hinzu kommt, dass viele wegen der erlittenen Traumata keine eigene Familie gründen können und deswegen zusätzlich auch noch in einem schwachen sozialen Netz leben. Der "Fond sexueller Mißbrauch" sollte dies wohl auffangen, benachteiligt aber die ärmsten und vom Trauma am stärksten betroffenen. Es gibt auf Change.org von Frau Prof. Kristina Wolff eine Petition gegen Femizide in Deutschland, die, bei einer politischen Umsetzung, auch dieses Problem beheben könnte.

Was mir bei der ganzen Debatte immer sauer aufstößt ist, dass so getan wird, als ob eine Abhängigkeit von einer (großen) Firma oder dem Staat besser wären als eine gewisse Abhängigkeit von dem Menschen, den man liebt. Ist es wirklich besser sich darauf zu verlassen, dass Firma XY einen auch noch braucht, wenn die wirtschaftliche Lage sich verschlechtert oder mal wieder aus Gewinn-Gier "Stellen abgebaut werden müssen"?! Ist es besser sich auf eine kleine Firma zu verlassen, in der jeder zwar jeden kennt aber die schnell pleite ist, wenn z.B. dem Chef was passiert? Ist es besser sich auf "den Staat" zu verlassen, der Tag für Tag beweißt, dass er nicht mit Geld umgehen kann und die Pensionen immer weiter schrumpfen lässt?! Also ich würde mich eher auf die Familie verlassen (wollen) als auf all diese Firmen und Institutionen!

Danke für diesen Kommentar. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen! Bravo!

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