A. G. Saño, philippinischer Streetart-Künstler und Aktivist, reiste im März zwei Wochen gemeinsam mit Chinma George aus Nigeria als Klimazeuge durch Deutschland, um durch seine Kunstaktionen auf die Folgen des Klimawandels aufmerksam zu machen. Auf Veranstaltungen in Erkelenz, Essen und Düsseldorf berichtete er darüber hinaus, wie immer heftigere Taifune die Menschen auf den Philippinen bedrohen.
Oxfam: Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf Dein Leben?
A. G. Saño: Mein eigenes Leben ist sehr stark vom Klimawandel geprägt. Während des Taifuns Haiyan verlor ich in Tacloban meinen besten Freund. Im November 2013 war ich zu Besuch in der Heimatstadt meines Vaters, Tacloban-City, wo er einen Großteil seiner Kindheit verbracht hatte. Ich besuchte meinen Freund Agit und dessen Familie, bei denen ich hätte übernachten sollen, als der Sturm aufzog. Ich entschloss mich allerdings, an einem anderen Ort zu übernachten, um ihnen nicht zur Last zu fallen. In genau dieser Nacht fegte der Super-Taifun über uns hinweg. Es war furchtbar.
Das Haus, in dem ich untergebracht war, wackelte und bebte, andere wurden einfach weggefegt. Bäume und Strommasten kippten um, Wasser schoss durch die Straßen, Treppen verwandelten sich in Wasserfälle. Ich war mir sicher, dass ich sterben würde, und betete, dass meine Familie wenigstens meinen Leichnam finden möge. Ich überlebte. Dann musste ich erfahren, dass mein Freund Agit, sein Vater, seine Mutter, seine Frau und sein kleiner Sohn in jener Nacht ums Leben kamen. Dieses Erlebnis hat mein Leben verändert. Ich wurde zum Aktivisten. Ich kündigte meinen Job als Fotograf und konzentriere mich jetzt auf die Dinge, die wir auf den Philippinen tun müssen. Besonders darauf, den Menschen die Gefahren des Klimawandels für unser Land bewusst zu machen.
Was würdest Du denjenigen antworten, die sagen, es gebe keinen vom Menschen verursachten Klimawandel?
Ich würde sie einladen, mein Heimatland zu besuchen. Ich würde sie einladen, wenn ein Super-Taifun darüber hinwegfegt. Ich würde sie einladen, an den absterbenden Riffen zu tauchen. Ich würde sie einladen, sich die austrocknenden Böden unserer Farmen anzusehen. Ich würde sie einladen, ein Sonnenbad bei mehr als 40 Grad Celsius während der Trockenzeit zu nehmen. Und ich würde sie einladen, die in Armut lebenden Menschen in meinem Land zu besuchen und von ihrem Leid zu erfahren.
Was ist Deiner Ansicht nach der beste Weg, um Menschen für den Klimawandel zu sensibilisieren?
Das geht am besten, indem Menschen davon berichten. Indem ich meine Geschichte erzähle und wir uns klarmachen, was der Mehrheit der Bevölkerung meines Landes gerade widerfährt. Wir können ihnen die Augen öffnen, indem wir ihnen zeigen, was sie sehen müssen. Und indem wir sie dazu bewegen, sich dann entsprechend zu verhalten. Der Klimawandel muss an allen Fronten bekämpft werden. Wir müssen Druck auf die Regierungen und die Entscheidungsträger ausüben, damit sie die richtigen Strategien anwenden und Gesetze verabschieden, die dem Klimawandel entgegenwirken. Zudem muss jeder Einzelne Opfer bringen und Änderungen an seinem Lebensstil vornehmen. So können wir gemeinsam gegen den Klimawandel kämpfen. Es gibt sehr einfache Möglichkeiten, mit denen wir etwas gegen den Klimawandel tun können. Beispielsweise, indem wir bewusster mit den Dingen umgehen, die wir tagtäglich konsumieren. Wir müssen uns klar machen, dass wir einen ökologischen Fußabdruck auf dem Planeten Erde hinterlassen.
Nach zwei Wochen Aufenthalt in Deutschland: Was sind Deine Eindrücke?
Da gibt es so viel ... Zwei Dinge möchte ich aber gern herausheben: Zum einen war ich etwas schockiert, dass es Gemeinden gibt, die wegen dem gewaltigen Kohleabbau in der Nähe von Essen umsiedeln mussten. [Anm. d. Red.: Gemeint ist der Braunkohletagebau Garzweiler und umliegende Gemeinden, die im Rahmen der Reise besucht wurden.] Da habe ich erst begriffen: Nicht nur wir – in den armen Ländern – erleben Unterdrückung. Es hat mich zutiefst bewegt, ein Dorf zu sehen, das zerstört wird und von der Landkarte verschwindet.
Zum anderen möchte ich die Reaktionen von Berliner Schüler/innen hervorheben, die wir getroffen haben, und wie sie unsere Begegnung verarbeitet haben. Die meisten von ihnen sind sich des Klimawandels nicht wirklich bewusst gewesen, vor allem was die Auswirkungen in den verschiedenen Ländern betrifft. Aber sie waren so berührt von meinen Erzählungen, von meinem Freund und meiner Heimatstadt. All diese Emotionen haben sie dann in die Kunstwerke einfließen lassen, die wir im Anschluss gemeinsam geschaffen haben.
Was geschieht, wenn wir den Klimawandel nicht stoppen?
Wenn wir den Klimawandel nicht sofort stoppen, werden wir seinen heftigen und brutalen Folgen, die wir bereits zu spüren bekommen haben, weiterhin ausgesetzt sein. Extremsituationen werden sich weiter zuspitzen bis zu einem Punkt, an dem wir das Ruder nicht mehr herumreißen können.
Welche Botschaft hast Du für Menschen in Ländern wie Deutschland?
Ich habe eine klare Botschaft an diejenigen, die in der fossilen Industrie in Ländern wie Deutschland, wo der Klimawandel verursacht wird, tätig sind: Sie sollten sich klarmachen, dass sie den Menschen in meinem Land sehr großes Leid zufügen. Wenn jene Menschen nicht aufhören zu tun, was sie tun, wird dieses Leid andauern und noch größer werden. Um es positiv zu formulieren: Ich möchte diese Menschen dazu auffordern, den Wandel zu einer Politik der sauberen Energie einzuleiten.
Hier erfahren Sie noch mehr über die Auswirkungen des Klimawandels in den Philippinen:
Im Auge des Taifuns: Wie der Klimawandel die Menschen auf den Philippinen bedroht
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