Der UN-Wissenschaftsrat zum Klimawandel (IPCC) muss irgendwie ein gutes Gespür für die Themen der politischen Sommerpause in Deutschland haben: Passend zur Debatte um den krassen Fleischkonsum in Deutschland und den damit verbundenen ökologischen Folgen hat jetzt der IPCC in Genf einen Sonderbericht veröffentlicht, der die Zusammenhänge zwischen der Klimakrise, den Folgen für Land und Böden und die Rolle der industriellen Landwirtschaft und unserer Ernährungsgewohnheiten betrachtet. Der tausendseitige Hauptbericht war schon vor einer Weile fertig und stellt einen Sachstandsbericht der wissenschaftlichen Literatur zum Thema dar; in Genf hatten nun Regierungsdelegationen aller Länder tagelang über die politische Zusammenfassung verhandelt – Zeile für Zeile.

Hier sind vier Gründe, warum dieser IPCC-Sonderbericht so wichtig ist:

1. Was und wie wir essen, trägt erheblich zur Zerstörung von Land, Böden und dem Weltklima bei.

Die industrielle Landwirtschaft mit hohem Energieeinsatz, tierquälerischer Massentierhaltung und exzessivem Einsatz von Düngemitteln, sowie Verarbeitung, Lagerung, Transport und Verkauf von Nahrungsmitteln sind zusammen für rund ein Drittel der weltweiten Treibhausgase verantwortlich. Weltweit degradiert die industrielle Landwirtschaft zudem Anbauflächen, plündert Frischwasserressourcen, setzt Umweltgifte frei, beschleunigt das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten und zerstört ganze Ökosysteme. Insbesondere für den exzessiven Fleischkonsum in den reichen Ländern (und zunehmend in den relativ wohlhabenden Schichten in den Schwellenländern) werden Wälder gerodet oder abgefackelt, um neue Anbauflächen für die Futtermittelproduktion zu gewinnen. Aber Vorsicht: sich bei den Menschen aus den armen Ländern beschweren, dass sie mit wachsendem Wohlstand mehr tierische Produkte verzehren, geht am Problem vorbei. Das besteht zuallererst im exzessiven Konsum von Fleisch in den reichen Ländern wie zum Beispiel Deutschland.

2. Der Klimawandel verschärft weltweit Hunger und Armut – und verschärft die Probleme der industriellen Landwirtschaft weiter.

Die UN-Welternährungsorganisation FAO hat uns gerade erst daran erinnert, dass über 800 Millionen Menschen nicht genug zu essen haben, und der neue IPCC-Bericht fügt ziemlich unmissverständlich hinzu: wegen des Klimawandels wird es noch schlimmer. In vielen Weltregionen sind die Folgen einer Überhitzung der Atmosphäre sinkende Ernten, schlechtere Bodenfruchtbarkeit, wachsende Wasserknappheit und weniger Nährstoffe in den Pflanzen. Wenn die Böden gar nichts mehr hergeben, der Klimawandel die Ernten komplett vertrocknen lässt oder von den Feldern spült, bleibt den Menschen oft nichts weiter übrig, als ihre Heimat zu verlassen. Klimawandel bedeutet aber auch: höhere Nahrungsmittelpreise – für in Armut lebenden Menschen in den Entwicklungsländern, die jetzt schon einen Großteil ihres verfügbaren Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, kaum zu bewältigen.

3. Ein besserer Umgang mit Land und Böden ist unverzichtbar für den Kampf gegen den Klimawandel und den Kampf gegen Hunger und Armut.

Gesunde, fruchtbare Böden sind nicht nur Voraussetzung für den Anbau von Nahrungsmitteln; sie können auch erhebliche Mengen an Treibhausgasen absorbieren. Der Bericht des IPCC zeigt Wege auf, wie wir in der Landwirtschaft sowohl Treibhausgase reduzieren und gleichzeitig die Landwirtschaft gegen den Klimawandel absichern können. Agrarökologische Anbauverfahren sind dafür bestens geeignet – nicht nur können sie die Erträge trotz Klimawandel verbessern, sondern schützen gleichzeitig Böden, Wasserressourcen, die Artenvielfalt und Ökosysteme. Sie sind damit eine Alternative zur industriellen Landwirtschaft, die Oxfam auch ganz konkret unterstützt: In Bolivien unterstützt Oxfam solch eine Initiative, die degradierte Flächen aufwertet, die Bodenfruchtbarkeit erhöht, Ökosysteme erhält und die Lebensgrundlagen der Menschen stärkt.

Der IPCC-Bericht betont übrigens auch, wie wichtig im Umgang mit Land und Böden die Einbindung der örtlichen Bevölkerung ist, insbesondere auch indigener Gruppen, deren Lebensgrundlagen oft von intakten Ökosystemen anhängen, die aber selten über offiziell anerkannte Landtitel verfügen und daher häufig von ihrem Land vertrieben werden, wenn beispielsweise große Konzerne sich etwa in bisher intakte Wälder ausbreiten wollen. Die Landrechte solcher Gruppen zu stärken, ist eine kritische Zukunftsaufgabe und kann einen wichtigen Beitrag leisten im Klimaschutz.

4. Wir brauchen ehrgeizigen Klimaschutz, um sowohl die Treibhausgase als auch den weltweiten Hunger auf null zu senken, und müssen dabei die falschen Lösungen vermeiden.

Der IPCC-Bericht warnt unmissverständlich davor, dass die globale Erwärmung um 3-4°C über dem vorindustriellen Niveau, auf die es derzeit angesichts der kriminell unzulänglichen Klimaschutzanstrengungen der Länder hinausläuft, schwerwiegende Risiken und irreversible Folgen für die weltweite Ernten, die Ernährungssouveränität der Menschen und den Kampf gegen den Hunger nach sich ziehen wird. Umso peinlicher ist es, dass die Bundesregierung ihre Klimaschutzziele nach ihrer eigenen Projektion allesamt deutlich verfehlen wird. Damit die Klimakrise und ihre Folgen noch halbwegs beherrschbar bleiben, müssen die Treibhausgasemissionen noch vor 2050 auf Netto-Null sinken – unter anderem durch eine komplette Abkehr von den fossilen Energien.

Vorsicht aber vor falschen Lösungen, die großen Schaden anrichten könnten, beispielswese der Idee, statt konsequentem Klimaschutz großflächig Monokulturen anzupflanzen, damit zum Beispiel wachsende Wälder das Kohlendioxid aus der Atmosphäre binden oder zumindest klimaneutral als Biomasse für die Energiegewinnung dienen sollen. Damit das Wirkung hat, müssten dafür gewaltige Flächen dem Anbau von Nahrungsmitteln entzogen werden. Zudem haben derartige Plantagen in der Vergangenheit immer wieder zu zahlreichen ökologischen und sozialen Problemen, Vertreibungen und Menschenrechtsverletzungen geführt.

Der Klimaschutz muss also bei uns zuhause nicht nur anfangen, sondern auch durchgezogen werden. Das erfordert den konsequenten Ausbau der erneuerbaren Energien, einen Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle oder ein wirksames Klimaschutzgesetz, betrifft aber auch uns alle. Dazu gehört solch grober Unfug wie die SUV-Liebhaberei mancher Politiker – und auch unser krasser Fleischkonsum. Das haben auch die Wissenschaftler vom IPCC geschrieben. Wissenschaftlich verklausuliert natürlich.

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