Endlich kommt mehr Licht ins Dunkel: Gestern haben die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten im EU-Ministerrat beschlossen, dass Konzerne zukünftig öffentlich darüber zu berichten haben, welche Gewinne sie in welchem Land machen, wie viel Steuern sie zahlen und wo sie dies tun (so genannte öffentliche länderbezogene Berichterstattung). Sie geben damit nach fünfjährigem Tauziehen grünes Licht für einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission. Nichtregierungsorganisationen haben diese Regelung seit Jahren gefordert, Oxfam hat, gemeinsam mit anderen, hierzu in den vergangenen Jahren intensiv Kampagnenarbeit gemacht.

Bundesregierung steht bis zuletzt auf der Bremse

Dass die Zustimmung im EU-Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit überhaupt gelang, grenzt in Kenntnis der Machtverhältnisse in Brüssel an ein kleines Wunder. Denn normalerweise ist es schwer, die erforderliche Mehrheit ohne Zustimmung der Bundesregierung zu erreichen. Deren Rolle in der Frage nach Steuertransparenz ist beschämend: Zwar haben Finanzminister Scholz und die SPD nach längerem Zaudern aufgrund des Drucks aus der Zivilgesellschaft die Forderung schließlich befürwortet. Eine Zustimmung in Brüssel ist aber am Widerstand des CDU-geführten Wirtschaftsministeriums unter Minister Altmaier gescheitert. Wirtschaftsinteressen scheinen hier wichtiger zu sein als das legitime Interesse der Bevölkerung, nachvollziehen zu können, ob Konzerne ihren fairen Beitrag zum Allgemeinwohl leisten. So hat sich Deutschland in dieser wichtigen Frage in den vergangenen Jahren enthalten und damit den Prozess ausgebremst. Gut, dass sich nun eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten entschlossen hat, diese De-Facto-Blockade durch die Bundesregierung zu überwinden.

Regelung sollte verbessert werden

Die konkrete Ausgestaltung der Transparenzvorschriften muss nun noch einmal zwischen Kommission, Ministerrat und EU-Parlament verhandelt werden. Nichtregierungsorganisationen, wie auch das EU-Parlament, sehen an einigen Stellen Verbesserungsbedarf. Oxfam fordert, die Berichterstattung von Konzernen auf alle Länder zu erweitern statt sie, wie jetzt vorgesehen, auf die EU-Staaten und einige außereuropäische Steueroasen zu beschränken. Denn längst nicht alle Steueroasen, wie z. B. Länder, die mit Niedrigsteuersätzen den ruinösen internationalen Wettlauf um die geringsten Steuersätze anheizen, sind auf der EU-Steueroasenliste verzeichnet. Eine Klausel im Vorschlag erlaubt es Konzernen, bei kommerziell sensiblen Informationen nicht zu berichten – ein potenzielles Schlupfloch, das geschlossen werden sollte. Und die Meldepflicht gilt nur für Unternehmen mit einem konsolidierten Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro, was 85 bis 90 Prozent der multinationalen Unternehmen ausschließt. Sie müsste daher viel früher greifen.

Die Einigung ist trotz dieser Schwächen ein wichtiger Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit. Seit Jahren können Konzerne Milliardengewinne in Länder mit niedrigen Steuersätzen verschieben, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Sie müssen der Öffentlichkeit gegenüber nun Rechenschaft ablegen, wo sie wie ihre Gewinne versteuern. Der Druck, die eigenen Steuerpraktiken zu erklären und zu rechtfertigen, steigt. Gleiches gilt für die Länder, die ihnen diese Steuerpraktiken überhaupt erst ermöglichen – z. B. Steueroasen in der EU wie die Niederlande, Luxemburg oder Irland.

Transparenz erhöht den politischen Druck

Die jetzt erzielte Einigung kann nur der Anfang im Kampf gegen Steuervermeidung sein. Schätzungen zufolge entgehen den Regierungen weltweit jährlich 245 Milliarden US-Dollar Steuereinnahmen durch die Steuervermeidung multinationaler Unternehmen. Länder des Globalen Südens verlieren pro Jahr durch Steuervermeidung von zumeist aus Industrieländern stammenden Konzernen mehr als sie im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit an Geldern erhalten. Die Steuerausfälle der Länder mit niedrigem Durchschnittseinkommen entsprechen mehr als der Hälfte ihrer gesamten öffentlichen Gesundheitsausgaben.

Der Handlungsdruck ist also immens und Lösungen liegen auf dem Tisch: Weltweit geltende Mindeststeuersätze. Mehr Rechte für Länder des Globalen Südens, um Konzerne dort zu besteuern. Listen, auf denen wirklich alle Steueroasen auftauchen, verbunden mit der Möglichkeit von Sanktionen gegen die gelisteten Länder. Die Aufdeckung von Steuervermeidungsmodellen durch die neuen Transparenzvorschriften wird den politischen Druck, diese nun endlich umzusetzen, noch einmal deutlich erhöhen.

Kommentieren

Wir freuen uns über anregende Diskussionen, sachliche Kritik und eine freundliche Interaktion.

Bitte achten Sie auf einen respektvollen Umgangston. Auch wenn Sie unter einem Pseudonym schreiben sollten, äußern Sie bitte dennoch keine Dinge, hinter denen Sie nicht auch mit Ihrem Namen stehen könnten. In den Kommentaren soll jede*r frei seine Meinung äußern dürfen. Doch es gibt Grenzen, deren Überschreitung wir nicht dulden. Dazu gehören alle rassistischen, rechtsradikalen oder sexistischen Bemerkungen. Auch die Diffamierung von Minderheiten und Randgruppen akzeptieren wir nicht. Zudem darf kein*e Artikelautor*in oder andere*r Kommentator*in persönlich beleidigt oder bloßgestellt werden.

Bitte bedenken Sie, dass Beleidigungen und Tatsachenbehauptungen auch justiziabel sein können. Spam-Meldungen und werbliche Einträge werden entfernt.

Die Verantwortung für die eingestellten Kommentare sowie mögliche Konsequenzen tragen die Kommentator*innen selbst.