An den Protesten 2010/2011 in Tunesien, die den Weg für Demokratie freimachten, waren Frauen maßgeblich beteiligt. Frauenrechtsorganisationen setzen sich mit aller Kraft für Gleichberechtigung, die Teilhabe am öffentlichen und politischen Leben und gegen Gewalt und Diskriminierung ein. Ein Meilenstein ihres Einsatzes war die Anerkennung der Gleichstellung der Geschlechter in der neuen Verfassung Tunesiens. An der progressiven Gesetzeslage gilt es auch in Zeiten des enger werdenden politischen Handlungsspielraums und dem Erstarken antidemokratischer Kräfte in Tunesien festzuhalten und weiterzuarbeiten.

Ungleichheit und Gewalt gegen Frauen: Ein unüberwindbares Hindernis?

Nur wenige Entscheidungspositionen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sind von Frauen besetzt. Auch Armut ist in Tunesien oft weiblich: Frauen haben ein doppelt so hohes Risiko, arbeitslos zu sein oder in unsicheren und ausbeuterischen Verhältnissen zu arbeiten als Männer.

Etwa jede zweite Frau in Tunesien hat bereits unterschiedliche Formen von Gewalt, wie einen sexuellen Übergriff oder Gewalt in der Öffentlichkeit, erlebt. Bei häuslicher Gewalt sind die Zahlen noch höher. Und während der COVID-19-Pandemie wurde ein weiterer Anstieg von Gewalt gegen Frauen verzeichnet. Gewaltsame Diskriminierung und Unterdrückung von Frauen stehen der Gleichstellung von Frauen und Männern entgegen.

Geschlechtergerechtigkeit mitgestalten

ATFD setzt sich gemeinsam mit anderen feministischen und Frauenrechtorganisationen dafür ein, dass progressive Frauenrechte eine breite Anwendung in der Praxis finden und frauendiskriminierende Gesetze abgeschafft werden.

In unserem Projekt unterstützen wir deshalb die Arbeit von ATFD auf mehreren Ebenen:

  • Frauen, die Gewalt erfahren haben, erhalten Zugang zu ortsnahen Unterstützungsangeboten und zur Rechtsprechung
  • Die junge Generation erhält konkrete feministische Fortbildungsmöglichkeiten zur Mitgestaltung einer gewaltfreien Gesellschaft
  • ATFD und zivilgesellschaftliche Bewegungen halten den politischen Diskurs zur Umsetzung progressiver Gesetze und zur Abschaffung diskriminierender Gesetze auf der Tagesordnung

Von Gewalt betroffen – und dann?

ATFD betreibt schon seit den 90er-Jahren Beratungsstellen für Frauen in verschiedenen Regionen Tunesiens. Diese Beratungsstellen dienen als geschützter Raum für Frauen, die Gewalt erfahren haben. Interdisziplinäre Teams beraten und begleiten hier die Betroffenen: Geschulte Ehrenamtliche hören den Frauen zu und helfen lebenspraktisch, Psycholog*innen stehen den Frauen zur Seite und Jurist*innen unterstützen sie, ihre Rechte vor Gericht einzuklagen.

In seinen Beratungsstellen erhebt ATFD außerdem anonymisierte Daten zu geschlechterbasierter Gewalt. Die Analyse dieser Daten wird genutzt, um politische Forderungen faktisch nachweisen zu können und das politische und zivilgesellschaftliche Engagement gezielt voranzutreiben.

Zivilgesellschaftliche Mitgestaltung durch die junge Generation

Das Engagement der jungen Generation ist entscheidend, um die Gesellschaft jetzt und in Zukunft mitzugestalten. ATFD bietet die sogenannte feministische Universität und Sommercamps für junge Menschen an, die sich zu Frauenrechten und Geschlechtergerechtigkeit engagieren möchten. Die dort geschulten jungen Menschen agieren als Multiplikator*innen. Das heißt sie nutzen unterschiedliche kreative und künstlerische Medien, um ihr neugewonnenes Wissen mit der breiten Öffentlichkeit zu teilen und zu aktuellen feministischen Debatten und politischen Forderungen zu informieren. 

Zivilgesellschaft und Politik: Im Gespräch bleiben

Durch Austauschtreffen, Seminare und Vorträge fördert ATFD den Dialog mit politischen Entscheidungsträger*innen und Vertreter*innen der Zivilgesellschaft. Und sie belebt die Anwendung der Gesetze gegen geschlechtsbasierte Gewalt. Auch mit Ordnungskräften, Staatsanwält*innen und Richter*innen tritt ATFD in Kontakt, um traditionelle Denk- und Handlungsmuster, die Frauen diskriminieren, zu durchbrechen und eine frauenfreundliche Gesetzgebung voranzutreiben. In enger Zusammenarbeit mit Universitäten veranstaltet ATFD zudem Gruppendiskussionen mit Studierenden und Professor*innen zu Geschlechtergerechtigkeit, Frauenrechten und Feminismus.

Oxfams Partnerorganisation ATFD - als Bewegung stärker

Unsere lokale Partnerorganisation ATFD ist eine der ältesten und bekanntesten Frauenrechtsorganisationen in Tunesien. Seit den 70er-Jahren setzen sich die Mitarbeiter*innen und Aktivist*innen in Tunesien mit aller Kraft für Geschlechtergerechtigkeit, die Umsetzung von Frauenrechten und gegen alle Formen von Gewalt und Diskriminierung gegen Frauen ein. ATFD und Oxfam in Tunesien kooperieren bereits seit 2013 und haben eine enge und vertrauensvolle Partnerschaft entwickelt. Seit Oktober 2018 unterstützt Oxfam Deutschland e.V. die Arbeit von ATFD mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).

ATFD vertritt die Vision eines modernen, demokratischen Tunesiens. Frauen und Männer sollen gleichberechtigt und sozial gerecht leben und ihre Rechte ohne jegliche Form von Diskriminierung und Gewalt ausüben können. Die Organisation orientiert sich dabei an einem feministischen Ansatz, der auf Mitgefühl und Solidarität aufbaut.

Laufzeit: 15.07.2023 – 14.01.2027
Projekttitel: Verbesserung der rechtlichen und psychosozialen Situation von Frauen, die von Gewalt und Diskriminierung betroffen sind
Finanziert durch: BMZ (Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)
Projektregion: Tunis, Sfax, Sousse und Kairouan sowie landesweite Öffentlichkeitsarbeit
Lokale Partnerorganisation: ATFD
Themen: Geschlechtergerechtigkeit

Damit wir uns in unseren Projekten und akuten Krisensituationen auch für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen können, brauchen wir Ihre Unterstützung:

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