Nach 17 Jahren des Waffenstillstandes entfachte 2011 erneut ein Bürgerkrieg in Kachin, dem nördlichsten Staat Myanmars. Rund 100.000 Menschen, die durch die kriegerischen Auseinandersetzungen vertrieben wurden, konnten in Aufnahmegemeinschaften und informellen Camps unterkommen. Fast die Hälfte von ihnen lebt derzeit ohne Ausweisdokumente und ohne Perspektive auf gesicherte Lebensgrundlagen in Gebieten, die von der KIO kontrolliert werden. Die Organisation wird von der Regierung von Myanmar als illegal eingestuft.
Straßen und Infrastruktur sind in einem schlechten Zustand. Dadurch ist der Zugang zu Waren, Märkten und wirtschaftlichen Möglichkeiten eingeschränkt, es herrscht große Armut in Kachin. An manchen Orten der Region ist es extrem kalt, was die Möglichkeiten des Lebensunterhalts zusätzlich einschränkt und Gesundheitsrisiken birgt. Um grundsätzliche Themen über die Aufnahme der Vertriebenen mit der Bevölkerung zu verhandeln fehlen Fachwissen und Räumlichkeiten.

Allgemeine Projektziele

Mit diesem Projekt unterstützt Oxfam die fünf myanmarischen Aufnahmegemeinschaften Waimaw, Banmaw, Chipwi, Momauk und Mansi. Vier dieser Gemeinschaften befinden sich in der Grenzregion zu China. Das bedeutet für die dort lebenden Menschen, dass sie zusätzlichen Schutzrisiken ausgesetzt sind: Aufgrund der begrenzten Möglichkeiten zur Existenzsicherung in Kachin, sind einige Mitglieder der Gemeinschaften gezwungen, für ihren Lebensunterhalt die Grenzen zu China illegal zu überqueren. Hierdurch sind sie mitunter von Menschenhandel, Zwangsarbeit, Zwangsprostitution und Zwangsehen betroffen. Hinzu kommt die Rekrutierung von Kindersoldaten durch die KIO und die psychische Belastung der zivilen Bevölkerung in Folge der bewaffneten Konflikte. Dies sind Probleme, die die Unterstützung der Betroffenen sowohl durch die Regierung, als auch durch internationale Entwicklungsorganisationen erschweren. Deshalb kooperiert Oxfam mit den Partnerorganisationen Alinn Banmaw, BRIDGE, Kachin Baptist Convention, Kachin Women‘s Association und Wunpawng Ninghtoi, die bereits mit der Bevölkerung und den lokalen Behörden vernetzt sind und setzt sich besonders für Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderungen ein, die bisher kaum gesellschaftlich repräsentiert sind.

Schutzmaßnahmen gemeinschaftlich erarbeiten

Gemeinsam mit der Bevölkerung und den aktiven Organisationen vor Ort wird zunächst analysiert, welche Personengruppen in welchem Kontext besonderen Schutz bedürfen und durch welche Maßnahmen diese Menschen unterstützt werden können.
Konkret geplant sind dafür die Einrichtung von geschützten Räumen und der Ausbau beziehungsweise die Öffnung vorhandener Einrichtungen für eine breitere Bevölkerungsgruppe. Der Besuch dieser Räume soll selbstverständlicher werden, sodass die Menschen, die diese bisher genutzt haben, nicht mehr mit Stigmatisierungen zu kämpfen haben. Damit zukünftig die Anliegen der lokalen Bevölkerung besser registriert und Betroffene angemessen unterstützt werden können, werden außerdem spezialisierte Komitees gegründet und inhaltlich geschult. Diese werden einerseits zu den entsprechenden Problematiken sensibilisieren und andererseits als Anlaufstellen für Hilfsgesuche agieren. Die Vernetzung der Anlaufstellen zwischen den Gemeinschaften sorgt dafür, dass Schutzsuchende von Ansprechpartner*innen mit unterschiedlicher Expertise profitieren können.

Neue Einkommensquellen ermöglichen

Um langfristig die Lebensgrundlagen der binnenvertriebenen Menschen und die Erwerbsmöglichkeiten in den Aufnahmegemeinschaften zu sichern, werden mögliche Einkommensquellen gemeinschaftlich erfasst, die spezifisch auf die Marktlücken und Bedürfnisse der Gemeinschaften abgestimmt sind. Zum Beispiel werden in diesem Zusammenhang Ausbildungsmöglichkeiten speziell für Jugendliche und Frauen angeboten und  Binnenvertriebene erhalten durch rechtliche und finanzielle Unterstützung wieder Zugang zu eigenem Land. Außerdem unterstützt das Projekt die Gründung von Kleinstunternehmen finanziell. Besonders vulnerable Haushalte können durch zusätzliche, bedingte Barauszahlungen beispielsweise Schulgebühren bezahlen. Jugendlichen wird dadurch wieder eine Zukunftsperspektive gegeben.

Einflussnahme auf Hilfeleistungen verbessern

Rückmeldungen zu den Hilfeleistungen aus der Bevölkerung zu erhalten ist wichtig, um mögliche Schwachstellen zu optimieren und langfristige Lösungen zu finden. Damit möglichst viele Stimmen auch wirklich wahrgenommen und Probleme angegangen werden können, unterstützt Oxfam die lokalen Organisationen durch inhaltliche Angebote wie Schulungen zur Sensibilisierung gegenüber Vertriebenen. Zudem richten die Gemeinschaften ein Forum für Vertriebene ein, damit ein intensiverer Austausch stattfinden kann und Betroffene direkter Einfluss auf für sie relevante Entscheidungsprozesse nehmen können.

Fachliche Kompetenzen fördern

Kompetenzen im Bereich von geschlechtsspezifischen Thematiken und Schutzmaßnahmen wurden in Kachin bisher meist von externen Organisationen mitgebracht, die dementsprechend nicht immer auf die Bedürfnisse der lokalen Zivilgesellschaft angepasst sind und die Gemeinschaften in eine Abhängigkeit drängen. Um eigenständige Kompetenzbildung zu bestärken wird einerseits die Vernetzung der lokalen Partnerorganisationen untereinander sowie zu relevanten Entscheidungsträger*innen ausgebaut. Andererseits werden einzelne Mitglieder der Gemeinschaften als Multiplikator*innen ausgebildet, sodass das Fachwissen möglichst viele Menschen erreicht und ein kollektives Bewusstsein für das Thema entsteht. In einem weiterführenden Schritt unterstützt Oxfam die Partnerorganisationen auch beim Verfassen von politischen Zielsetzungen für die Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit.

Das Projekt wird von September 2019 bis Dezember 2024 umgesetzt und durch Mittel aus der Übergangshilfe des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert.