Die Lage im Jemen ist dramatisch: Fast zehn Millionen Menschen sind nur einen Schritt von einer Hungersnot entfernt. Seit der Eskalation des Konflikts im Jahr 2015 sind die Lebensmittelpreise in die Höhe geschnellt, während die Haushaltseinkommen gesunken sind. In dieser höchst angespannten Situation sind Grundnahrungsmittel für viele unerreichbar.

Am 26. Februar tagt die UN-Geberkonferenz in Genf. „Die Geber müssen sicherstellen, dass genügend Mittel zur Verfügung gestellt werden“, so Muhsin Siddiquey, Oxfams Landesdirektor im Jemen. Die Menschen brauchen dringend Nahrungsmittel, Wasser, Medikamente.

Kindesheiraten, um den Hunger zu bekämpfen

Oxfam hat mit geflüchteten Familien im nördlich gelegenen Gouvernement Amran gesprochen: Ihr Hunger war so stark, dass sie sich gezwungen sahen, ihre jungen Töchter – in einem Fall erst drei Jahre alt – zu verheiraten. Die Eltern des Mädchens gaben an, sich nur mit dem dafür erhaltenen Geld Nahrung und eine Unterkunft für den Rest ihrer Familie leisten zu können.

Obwohl frühes Heiraten im Jemen schon lange üblich ist, ist es schockierend, dass Mädchen in so jungen Jahren verheiratet werden, weil ihre verzweifelten Angehörigen keine andere Möglichkeit sehen, um sich Lebensmittel kaufen zu können.

Die neunjährige Hanan darf nicht mehr zur Schule, seit sie verheiratet wurde: „Meine Schwiegermutter schlägt mich immer wieder, und wenn ich zurück zum Haus meines Vaters laufe, schlägt mich auch mein Vater immer wieder, weil ich weggelaufen bin. Ich will nicht verheiratet sein. Ich will nur wieder zur Schule gehen“, sagte Hanan.

Ihre Eltern, die auch ihre dreijährige Schwester verheiratet haben, sagten, sie wüssten, dass es falsch sei, ihre Töchter in einem so jungen Alter zu verheiraten. Sie hätten aber keine Wahl gehabt, weil die dafür erhaltene Mitgift die einzige Möglichkeit sei, den Rest der Familie am Leben zu erhalten.

Muhsin Siddiquey erklärt: „Im Laufe dieses Krieges sind die Menschen immer verzweifelter geworden. Sie sehen sich gezwungen, Schritte zu unternehmen, die das Leben ihrer Kinder jetzt und in den kommenden Jahrzehnten zerstören. Dies ist eine direkte Folge einer menschengemachten humanitären Katastrophe, die durch den Krieg verursacht wurde.“

Menschen verschulden sich, um Nahrung und Medikamente zu kaufen

Die Kämpfe haben viele Familien gezwungen, in abgelegene Gebiete zu fliehen, in denen es an grundlegender Infrastruktur mangelt: ohne Schulen, Wasserversorgungsnetze, angemessene Abwasserbeseitigungsanlagen oder Gesundheitszentren. Ende vergangenen Jahres führte Oxfam Umfragen unter Menschen in dem im südlichen Jemen gelegenen Taiz durch:

99 Prozent gaben an, dass die Erwachsenen in ihren Familie zugunsten ihrer Kinder selbst weniger essen würden; 98 Prozent hatten die Zahl der Mahlzeiten, die sie jeden Tag aßen, reduziert. Mehr als die Hälfte sagte, sie hätten sich Essen von Freunden oder Verwandten geliehen. Und fast zwei Drittel gaben an, sich verschuldet zu haben. In fast allen Fällen ging es darum, Lebensmittel, Medikamente oder Wasser zu kaufen.

Oxfam fordert Waffenstillstand und einen dauerhaften Frieden

„Nur ein Ende des Konflikts kann die Abwärtsspirale stoppen, die die Menschen zwingt, verzweifelte Maßnahmen zu ergreifen. Alle Kriegsparteien und ihre Unterstützer müssen sich zu einem kompletten und landesweiten Waffenstillstand verpflichten und konkrete Schritte zu einem dauerhaften Frieden unternehmen“, sagt Muhsin Siddiquey.

Seit Ausbruch der jüngsten Krise hat Oxfam im Jemen bereits mehr als drei Millionen Menschen erreicht. Wir stellen vor allem Trinkwasser bereit, verteilen Hygiene-Sets zum Schutz vor Cholera und unterstützen Familien mit Bargeld, damit sie Nahrungsmittel und andere lebenswichtige Güter kaufen können.

Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende:

Jetzt spenden